Bürgerkrieg in Myanmar: Rückblick auf das Jahr seit dem Coup
Am 8. November 2020 fand die Präsidentschaftswahl in Myanmar statt. Die National League for Democracy (NLD) gewann die Wahl deutlich. 396 von 476 Sitzen im Parlament gingen an die pro demokratische Partei. Die Union Solidarity and Development Party (USDP), welche vom Militär unterstützt wird, brachte es gerade mal auf 33 Sitze. Das Militär, welches erst acht Jahren vorher noch in einer Militärdiktatur regiert hatte, war bei den Menschen in Myanmar massiv aus der Popularität gefallen. Als das Ausmaß der Blamage für die USDP klar wurde, machten diese Wahlbetrug für ihr Versagen verantwortlich. Die Union Election Comission, welche in Myanmar die Wahlen überwacht, konnte jedoch keinen Wahlbetrug feststellen. Das führte dazu, dass die USPD und das Militär die Wahlen nicht anerkannten und am 1. Februar 2021 die neue Regierung aus dem Amt putschten. Die regierenden Politiker, allen voran, Aung San Suu Kyi wurden festgenommen und der Militärchef Min Aung Hlaing zum Präsidenten erklärt. Damit war der Demokratisierungsprozess, welcher seit dem Ende der letzten Militärdiktatur begonnen hatte, auf einen Schlag beendet.
In den Wochen nach dem Coup formierte sich in Myanmar eine große Protestbewegung gegen die Junta. Immer mehr Menschen aus der Zivilbevölkerung trugen ihren Protest auf die Straße. Am 12. Februar, gerade mal elf Tage nach dem Coup, waren es bereits mehrere hunderttausend im ganzen Land. Auch wenn die Proteste am Anfang überwiegend friedlich waren, reagierte die Junta mit harten Repressionen. Soziale Medien wurden gesperrt, um den Informationsaustausch von Protestanten zu behindern. Später wurde sogar zeitweise der gesamte Internetzugriff im Land blockiert. Während der Proteste benutzte die Polizei exzessiv Gummigeschosse und Wasserwerfer gegen friedliche Demonstranten, Warnschüsse wurden abgefeuert. Ende Februar begannen die Polizisten auch scharf auf Protestanten zu schießen. Am 28. Februar allein starben 18 Menschen bei einem Protest durch Schüsse der Polizei.
In den folgenden Monaten eskalierte der Konflikt immer mehr. Die Junta verfolgte Demonstranten und versuchte durch Repressionen die Bevölkerung zur Gefügigkeit zu zwingen. Viele flohen in die Nachbarländer oder sahen sich gezwungen ins Exil zu gehen. Am 16. April 2021 formierte sich die National Unity Goverment (NUG) aus Parlamentsmitgliedern, welche durch den Coup ins Exil mussten. Die NUG beansprucht die rechtmäßige Regierung von Myanmar zu sein und bemüht sich um internationale Anerkennung. Die Junta hingegen deklariert die NUG als eine illegale terroristische Organisation. Am 5. Mai 2021 verkündet die NUG die Formation der People’s Defence Force (PDF) einer bewaffneten Armee, welche aktiv gegen die Junta kämpfen soll. Auch wenn die PDF mit dem Sturz der Junta und der Sicherung der Zivilbevölkerung zentrale Ziele verfolgt, erfolgt die Organisation der PDF auf dezentraler Ebene. Jede Region hat somit ihren eigenen Ableger der PDF, welche sich aus Widerstandskämpfern der Region zusammensetzt.
Die lokalen PDF-Gruppen arbeiten häufig eng mit den bereits seit über 80 Jahren bestehenden indigenen Widerstandsgruppen zusammen. Diese formten sich nach der Unabhängigkeit von Myanmar im Jahr 1948 und kämpfen für mehr Autonomie und Selbstverwaltung. Viele dieser Armeen befanden sich zum Zeitpunkt des Coups im Waffenstillstand und oder Friedensverhandlungen mit der demokratisch gewählten Regierung. Doch nach der Machtübernahme durch die Junta kündigten die meisten bewaffnete Gruppen den brüchigen Frieden auf, da das Militär, welches für viele Kriegsverbrechen an der indigenen Bevölkerung verantwortlich ist, als Feind gesehen wird. Die lokalen PDF’s profitierten gerade zu Beginn des bewaffneten Widerstands sehr von der Zusammenarbeit mit diesen Milizen. Häufig wurden PDF-Kämpfer durch die lokalen indigenen Armeen, welche schon Jahrzehnte lange asymmetrische Kampferfahrung gegen das Militär haben, ausgebildet und teilweise auch mit militärischer Ausrüstung unterstützt. Endsprechend eng operieren heute einige indigenen Armeen zusammen mit den lokalen PDF-Ablegern.
Trotzdem kann man nicht behaupten, dass die PDF’s heute gut ausgebildet und ausgerüstet wären. Den Widerstandskämpfern, welche vor dem Coup häufig normale Arbeiter oder Studenten, waren fehlt es fast an allem. Waffen sind in manchen Regionen Mangelware, sodass die Rebellen häufig auf selbstgebaute Waffen zurückgreifen müssen. Auch restliches Equipment wie Funkgeräte oder Schutzwesten sind nur in geringer Anzahl verfügbar. Aufgrund dieser klar unterlegenen Feuerkraft gegenüber dem Militär passen die Widerstandskämpfer ihre Taktiken an und üben häufig Hinterhalte, Drive-bys oder IED Angriffe auf Militär Konvois aus. Die Junta antwortet mit brutalen Vergeltungsschlägen, da die Widerstandskämpfer jedoch meist verdeckt agieren, richtet sich das Militär gegen die Zivilbevölkerung welche überwiegend hinter den Rebellen steht. Die Junta brennt Häuser von Unterstützern nieder, massakriert Zivilisten und nimmt bei Luftangriffen keine Rücksicht auf Unbeteiligte.
Eine Region im Land welche in letzter Zeit besonders von den Angriffen durch das Militär betroffen ist, ist der Bundesstaat Kayah und der südliche Teil des Bundestaates Shan. Die urbanen Zentren der Region sind Demoso, Loi-kaw und Moe Bye. Laut Informationen der humanitären Hilfsorganisation Free Burma Rangers sind allein in Kayah über 170.000 Menschen aus ihren Häusern geflohen und wohnen jetzt in Flüchtlingslagern. Humanitäre Hilfe gibt es nur in sehr geringem Umfang und an vielen Orten muss die Bevölkerung hungern. Durch die täglichen Kämpfe und andauernden Luftschläge ist die Region für viele Hilfsorganisationen schwer zugänglich.
Aussicht auf Besserungen gibt es zurzeit auch nicht. Die Junta kooperiert mit Russland zur Ausbildung weiterer Piloten und konnte letztens erst neue Bomben für ihre Kampfjets aus Serbien kaufen. Die Rebellen haben in einem Versuch effektive Luftabwehrwaffen zu finanzieren mehrere Spendenkampagnen gestartet. Noch fehlen ihnen auf dem Gebiet der Luftverteidigung aber die Mittel, um der Luftwaffe der Junta signifikante Verluste zuzufügen.